Das schwedische Jedermannsrecht (allemansrätten) – „Nicht stören und nichts zerstören“

Die Natur bedeutet den Schweden viel. In Schweden dürfen sich alle in der freien Natur aufhalten, sogar in Gebieten, die jemand anderem gehören. Dieses Recht heißt Jedermannsrecht (allemansrätt). Das Jedermannsrecht ist ein wichtiger Bestandteil der schwedischen Kultur. Manchmal wird es sogar als Nationalsymbol angesehen.

Jedermannsrecht

Gewohnheitsrecht

Das Jedermannsrecht regelt den Umgang mit Tieren und Pflanzen und sagt, wie, wo und wie lange man sich in der freien Natur aufhalten darf. Das Jedermannsrecht ist kein eigenständiges und kein geschriebenes Gesetz, sondern ein Gewohnheitsrecht, dessen Wurzeln weit bis ins Mittelalter zurückreichen. Einige der im Jedermannsrecht enthaltenen Rechte sind allerdings in verschiedenen Gesetzen präzisiert, z. B. im Jagdgesetz.

Rechte und Pflichten

Das Jedermannsrecht räumt allen Schweden und ausländischen Besuchern große Freiheiten ein, sich in der Natur zu bewegen. Mit den großzügigen Rechten sind jedoch entsprechende Pflichten verbunden. Wer sie verletzt, kann bestraft werden.

Manche Teile des Jedermannsrecht sind Auslegungssache. Es ist nie falsch, sich vor Ort bei Behörden oder Grundbesitzern zu erkundigen, was genau gilt. Fragt also, wenn Ihr unsicher sind.

Rücksicht nehmen

Wenn Ihr Rücksicht nehmt, behutsam mit der Natur umgeht und keine Schäden anrichtet, könnt Ihr kaum etwas verkehrt machen. Es gilt die Grundregel „Nicht stören und nichts zerstören“.

Bitte missbraucht das Jedermannsrecht nicht. Dann darf sich auch die nächste Generation noch frei in der schwedischen Natur bewegen.

Wir haben versucht, das Jedermannsrecht in 11 Punkten zusammenzufassen.

Das Jedermannsrecht in 11 Punkten

1. Hausgrundstücke, Zäune, Privatsphäre

Ihr dürft fast überall in der Natur wandern, Fahrrad fahren, Ski fahren und reiten, auch auf privaten Straßen. Respektiert aber die Privatsphäre und meidet den Nahbereich um ein Wohnhaus.

Auf privaten Hausgrundstücken dürft Ihr Euch nicht aufhalten, Ihr dürft private Hausgrundstücke auch nicht queren. Gleiches gilt für landwirtschaftlich genutzte Flächen, also Äcker, Felder und Anpflanzungen (Baumschulen und Waldpflanzungen mit jungen Pflanzen). Im Winter, bei Frost und Schnee, ist es jedoch erlaubt, diese Flächen zu queren.

Was ein Hausgrundstück ist, ist in Schweden manchmal nicht leicht zu erkennen, weil die meisten Hausbesitzer ihre Grundstücke nicht einzäunen. Grundregel ist: Haltet Euch außer Sichtweite von Wohnhäusern. Wenn der Blick unbehindert ist, müsst Ihr also großen Abstand zu einem Wohnhaus einhalten. Andernfalls stört Ihr.

Golfplätze sollt Ihr ebenfalls nicht queren.

Gatter, die Ihr geöffnet habt, um eine Weide zu queren, müsst Ihr hinter Euch schließen.

Für Radfahren und Reiten gelten teilweise zusätzliche Bestimmungen, deren Ziel es ist, empfindlichen Boden zu schützen. Diese Regeln gelten vor allem nach Regenperioden, wenn die Böden aufgeweicht sind.

Das Jedermannsrecht gilt nicht für Parkanlagen und kommunale Grünflächen.

2. Zelten

Auf Boden, der nicht landwirtschaftlich genutzt wird und nicht in der Nähe eines Wohnhauses liegt, ist Zelten eine Nacht lang erlaubt.

Wenn Ihr mit mehr als zwei Zelten unterwegs seid und sei es nur für eine Nacht, solltet Ihr mit dem Grundbesitzer sprechen.

Denkt auch daran, dass Zelten in der Natur ein kleines Abenteuer ist. Ihr habt weder Dusche noch Toilette in der Nähe. Euer Zelt hat auch in der Regel kein Fenster, aus dem Ihr mal einen prüfenden Blick nach draußen werfen könnt.

Alles, was nachts um Euch herum geschieht, ist spannend. Im Wald ist es gleichzeitig still und trotzdem laut – Ihr hört alles sehr genau, alle Tiere und alle anderen Geräusche. Ihr liegt in Eurem Schlafsack und fragt Euch, ist das gerade ein Elch, der da vor mein Zelt pinkelt? In solchen Momenten wünscht man sich vielleicht doch die Geborgenheit eines Zeltplatzes.

Am nächsten Morgen ist das vergessen. Die Vögel wecken Euch. Nach einer Katzenwäsche am Bach genießt Ihr ein Frühstück unter freiem Himmel.

3. Wohnmobile, Wohnwagen

Mit Wohnmobil oder Wohnwagen dürft Ihr nicht ins freie Gelände fahren.

Wenn Ihr außerhalb eines Campingplatzes übernachten wollt, müsst Ihr Euer Wohnmobil/Euren Wohnwagen direkt am Straßenrand oder auf einem Rastplatz aufstellen (maximal 24 Stunden, an Wochenenden auch bis zum nächsten Werktag). Örtliche Vorschriften können dies jedoch untersagen.

Auf privaten Wegen, zumal in Sichtweite von Wohnhäusern, solltet Ihr nur in Absprache mit dem Grundbesitzer übernachten, auch wenn es nur um eine Nacht geht. Auf manchen Privatwegen ist das Fahren ohnehin gänzlich untersagt (mit Schild und/oder Schranke).

4. Müll

Auf keinen Fall darf man Abfälle in der Natur zurücklassen.

Nehmt also immer allen Müll aus der Natur mit. Wenn Ihr an einem Platz zeltet, an dem schon Müll liegt, solltet Ihr den auch mitnehmen. Dann kann Euch niemand nachsagen, dass Ihr das wart.

5. Motorfahrzeuge

In der freien Natur darf man keine Motorfahrzeuge fahren.

Dieses Gesetz („terrängkörningslag“) ignorieren allerdings viele Schweden, denn sie sind mit ihren Quads („fyrhjulingar“), ihren Motocross-Motorrädern („MC“) und ihren Motorschlitten („snöscooter“, Schneemobile) nahezu überall in der Natur unterwegs.

Dagegen regt sich jedoch immer mehr Widerstand, so dass es mittlerweile im Norden Schwedens Zonen gibt, in denen Motorschlitten nicht mehr erlaubt sind.

Auch auf privaten Straßen kann das Fahren mit motorisierten Fahrzeugen verboten sein. Das liegt im Ermessen des jeweiligen Grundbesitzers. Beachtet die entsprechenden Schilder.

6. Boote, Baden

Wenn Ihr mit einem Boot (Kajak, Motorboot, Segelboot …) unterwegs seid, dürft Ihr überall anlegen, das Boot festmachen und schwimmen, außer im Nahbereich um ein Wohnhaus.

Diese Erlaubnis gilt jedoch nicht für Anlegestellen, Bootsstege und Strand, die zu einem Hausgrundstück gehören (Hausgrundstück ist der Nahbereich um ein Haus). Haltet Euch also außer Sichtweite von Wohnhäusern, um niemanden zu belästigen.

Wenn Ihr länger als eine Nacht vor Anker liegen wollt, müsst Ihr den Grundbesitzer um Erlaubnis fragen.

Beschränkungen gelten in militärischen Schutzgebieten und in Vogelschutzgebieten.

7. Lagerfeuer, Feuerholz

Ein kleines Feuer darf man anzünden, wenn man vorsichtig ist und aktuell kein Verbot besteht. Auf Klippen und Felsen ist dies jedoch jederzeit verboten.

Sie könnten wegen der großen Hitze platzen und Schaden nehmen oder Schaden anrichten.

Kein offenes Feuer bei Waldbrandgefahr: Überdies darf man kein Feuer machen, wenn die lokalen Behörden bei Waldbrandgefahr „eldningsförbud“ (Feuerverbot) verhängt haben. Das tun sie bei Brandgefahr im Zusammenhang mit andauernder Trockenheit, also meist März bis Juni. Wenn Ihr unsicher seid, könnt Ihr die Feuerwehr („räddningstjänsten“) anrufen.

Bei starkem Wind solltet Ihr ebenfalls kein Feuer machen. Es könnte sich ausbreiten.

Sägt keine Sträucher um, und fällt keine Bäume. Überdies dürft Ihr keine Äste oder Zweige abbrechen. Allerdings dürft Ihr heruntergefallene, trockene Zweige und Äste mitnehmen und für das Feuer verwenden.

Wenn Ihr die Feuerstelle verlasst, solltet Ihr Euch vergewissern, dass das Feuer wirklich erloschen ist. Am besten kippt Ihr einen Eimer Wasser darüber.

8. Beeren, Blumen und Pilze

Beeren und Pilze darf man sammeln, Blumen darf man pflücken. Es ist jedoch verboten, geschützte Pflanzen mitzunehmen oder gar auszugraben.

Geschützt sind z. B. blaue Buschwindröschen („blåsippor“, deutsch auch Leberblümchen) und alle Orchideen-Arten. Von einigen geschützten Blumen darf man einen Strauß für den eigenen Bedarf pflücken. Einige Pflanzen sind nur regional geschützt.

Früchte, Beeren, Gemüse oder andere Dinge, die in einem Garten, einer Anpflanzung oder auf einem Acker wachsen, darf man ebenfalls nicht mitnehmen. Das wäre Diebstahl. Nur bei verfallenen und offenbar verlassenen Häusern darf man sich aus dem verwilderten Garten bedienen.

9. Angeln und Jagen

Angeln und Jagen sind nach dem Jedermannsrecht nicht erlaubt. Fast alle Binnengewässer erfordern eine Angelkarte („fiskekort“).

In den fünf größten Seen dürft Ihr jedoch ohne Angelkarte angeln: im Mälaren, Vänern, Vättern, Hjälmaren und im Storsjön in Jämtland. Erkundigt Euch, bevor Ihr Eure Angel auswerft. Das Fischen mit Netzen etc. zählt übrigens nicht zum Jedermannsrecht, nur Handangeln sind erlaubt.

An Schwedens langer Meeresküste braucht Ihr in der Regel keine Angelkarte.

Wenn Ihr angeln wollt, dürft Ihr auch einen Bootssteg außerhalb eines Grundstücks benutzen (meidet also den Nahbereich um ein Haus). Den Steg müsst Ihr allerdings verlassen, wenn der Besitzer den Bootssteg selbst benutzen möchte.

10. Hunde

In der Natur müssen Hunde zwischen dem 1. März und dem 20. August angeleint sein, damit das Wild in Ruhe seine Jungen aufziehen kann.

Im Prinzip gilt der Leinenzwang das ganze Jahr über, denn auch außerhalb der Periode März bis August muss ein Hund so beaufsichtigt werden, dass er Wildtiere in der Natur nicht verfolgen kann.

Die Schweden lassen deshalb (und aus Rücksicht vor anderen Wanderern) selbst gut erzogene Hunde selten frei in der Natur laufen. Es gibt deshalb in vielen schwedischen Gemeinden eingezäunte „Spielplätze“ für Hunde, wo sie sich frei bewegen dürfen.

11. Naturschutzgebiete

In Naturschutzgebieten und Nationalparks gelten in der Regel besondere Bestimmungen.

Das Jedermannrecht gilt dort nicht oder nur in Teilen, um Natur- und Kulturwerte zu schützen. Z. B. können Zelten und Radfahren verboten sein. Lest die Hinweistafeln in diesen Gebieten. Im übrigen darf man in Nationalparks auch keine Drohnen fliegen lassen.

Quellen: Naturvårdsverket (Staatliches Amt für Umweltschutz), Zeitschrift „Aktivt Skogsbruk“ der Sydved AB, 3/2009