Wer sich für Industriegeschichte interessiert, sollte einige Tage in Norrköping zubringen. Über 400 Jahre lang war die Stadt in Östergötland das Zentrum der schwedischen Textilindustrie. Überdies gab es in Norrköping Mühlen, Waffenproduktion, Papierherstellung, Schmieden, Tabakherstellung und zuckerverarbeitende Betriebe.
Industrielandschaft
Heute ist nur noch eine große Papierfabrik übrig, Holmens Paper. Alles andere ist weg. Allerdings stehen die Industriegebäude noch. Sie sind heute Teil einer liebevoll restaurierten „Industrielandschaft“, die man als großes Freilichtmuseum zur schwedischen Industriegeschichte verstehen könnte.
Im Zentrum dieser Industrielandschaft zeugen zwei Museen von der Blütezeit der Stadt: das Museum der Arbeit und das Stadtmuseum mit Weberei und Textilmaschinen. (Beide Museen fungieren zugleich als InfoPoint, denn auch in Norrköping hat man die klassische Touristeninformation abgeschafft.)
In der unmittelbaren Gegend südlich der beiden Museen haben wir allerdings Cafés, Restaurants, Kneipen und lebendiges Leben vermisst. Als wir an einem Freitagnachmittag kamen, war leider nicht viel los. Dabei war schönstes Wetter, und man hätte überall gut draußen sitzen können. Der Kontrast zu dem sehr lebendigen Linköping war deutlich.
Später erfuhren wir von einem Leser, dass wir nur zur Västgötegatan hätten gehen sollen. Die liegt knapp nördlich der beiden Museen. Dort findet man offenbar Restaurants, Cafés und Bars, vor allem am Västgötebacken, einer kleinen Steigung.
Knäppingsborg
Die gemütliche und lebendige Industrie-Romantik, die wir vermisst haben, soll es auch im Knäppingsborg-Viertel geben. Auch das haben wir leider erst nach unserem Besuch erfahren. Knäppingsborg war mal eine Snus-Fabrik und ist heute ein Erlebnis- und Einkaufsviertel mit kleinen Geschäften, Unternehmen und Cafés. Hier wird man persönlich bedient. Neonreklame findet man in dem Viertel nicht.
Wasserkraft
Norrköping verdankte seinen Aufstieg dem Wasser. Der Motala ström, kurz Strömmen genannt, fließt durch die Stadt. Und das macht der Fluss teilweise mit kräftigem Getöse, weil er auf dem Gebiet der Stadt eine Fallhöhe von über 20 m passiert. Hier versteht man, welch ungeheure Kraft Wasser haben kann.
Die Wasserkraft wurde schon im Mittelalter und dann vor allem vom 17. Jahrhundert an für den Antrieb von allerlei Mühlen und Maschinen genutzt. Das Wasser war auch für die Herstellung von Papier, Garnen und Stoffen notwendig.
Der Motala ström kommt aus Motala am Vättern und fließt östlich von Norrköping in die Bucht Bråviken und die Ostsee.
Staatliche Behörden
Wegen der Textilkrise und der hohen Arbeitslosigkeit wurden in den 1970er Jahren staatliche Behörden in Norrköping angesiedelt. Wer heute in Schweden einwandern will, hat mit einer dieser Behörden zu tun, dem „Migrationsverket“, der Ausländerbehörde.
Hohe Steinhäuser und Norrköpings Straßenbahnen
In der Innenstadt sind uns die mächtigen fünf- oder sechsgeschossigen Steinhäuser aufgefallen. Solche Häuser sieht man nicht oft in Schweden, einmal von Göteborg, Stockholm und Sundsvall abgesehen. Die Häuser bilden recht dunkle Straßenschluchten, wenn die Sonne tief steht.
Auf den Straßen sind Straßenbahnen unterwegs. Norrköping hat wie Göteborg ein ausgebautes Straßenbahnnetz. Einige der Straßenbahnen sollen ihren Dienst schon in Duisburg getan haben.
Neues Stadtviertel, neue Eisenbahn
In Norrköping werden aber auch sehr viele neue Wohnhäuser gebaut. Auf altem Hafengebiet ensteht sogar ein komplett neues Stadtviertel: Inre Hamnen.
Grund für die ungewöhnliche Bautätigkeit ist eine neue Eisenbahnverbindung durch Östergötland. Sie erstreckt sich von Järna (südlich von Stockholm) bis nach Linköping. Ostlänken heißt die neue Verbindung. Sie soll 2035 in Betrieb gehen und die heutigen Strecken Göteborg – Stockholm und Malmö – Stockholm entlasten.
Norrköping wird dafür sogar einen neuen Hauptbahnhof erhalten. So erklärt sich der Aufschwung in der Stadt. Manche bezeichnen Norrköping augenzwinkernd schon als „Stockholm-Süd“.
Ein Studentenwitz
Unter schwedischen Studenten tragen Norrköping und Söderköping manchmal auch chinesische Städtenamen: Norrköping heißt dann Peking, und Söderköping heißt Nanking. „Peking“ ist nämlich die Nordstadt, und „Nanking“ die Südstadt. Angeblich weiß das jeder in Schweden. Wir kannten es nicht.
Pub-Tipp
Wir haben gut im Highlander Inn gegessen (Sankt Persgatan 94), einem schottischen Pub mit Außenterrasse. In der gemütlichen Eckkneipe gab es auch leckeres Bier (Kilkenny) und sehr nettes Personal.
Über dem Pub liegen zudem einige Zimmer: Best Guest Vandrarhem, ehemals „Hotel Hörnan“. Pub und Hotel haben wohl denselben Eigentümer.
Norrköpings Umgebung: Kolmården und Vikbolandet
Bekanntestes Ausflugsziel ist der Tierpark Kolmården, Skandinaviens größter Tierpark. Er liegt nördlich von der Bucht Bråviken, rund 30 km von Norrköping entfernt.
Südlich von der Bucht erstreckt sich eine Gegend, die Vikbolandet genannt wird. Hier liegt u. a. ein kleines Zarah-Leander-Museum (ebenfalls ca. 30 km von Norrköping entfernt).
Da die Böden im Vikbolandet fruchtbar sind, findet man hier auch viele Hofläden. Es gibt z. B. eine Straußenfarm (Vikbolandsstruts), eine Truthahnfarm (Visätters kalkon) und eine Hirschzucht mit 250 Tieren (Ormsätter).
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Angeln mitten im Zentrum
Ein Blick auf die Industrielandschaft
Herrliche Kaktus-Pflanzung im Carl Johans Park, eine Tradition seit 1926. Jedes Jahr gibt es ein neues Motiv mit 25.000 Pflanzen!
Bild ganz oben auf der Seite: Ein Haus mit sieben Ecken, einstmals eine Baumwollfabrik und heute das Museum der Arbeit