Die schwedische Schule

Wir haben zwei Kinder, geboren 2001 und 2005. Beide sind in Schweden zur Welt gekommen. Sie wachsen hier auf. Seit vielen Jahren sammeln wir also täglich Erfahrungen mit der schwedischen Schule.

Über das Schulsystem wollen wir hier aber nicht schreiben – das wird z. B. ausgezeichnet in Delia Kübecks Buch „Alltag in Schweden“ vorgestellt. Wir wollen hier vielmehr einige persönliche Beobachtungen und Erfahrungen mit dem schwedischen Schulalltag wiedergeben.

Manches besser, manches schlechter

Manches erscheint uns besser als in Deutschland, einiges auch schlechter – wobei wir natürlich überwiegend mit unserer eigenen Schulzeit in Deutschland vergleichen, die schon viele Jahre zurückliegt.

Sanfter Beginn mit einer Vorschulklasse

Unsere Kinder haben nach fünf Jahren Kita und Kindergarten im Alter von sechs Jahren in der Schule angefangen, und zwar mit einer Vorschulklasse („förskoleklass“). Unsere Kinder wurden dabei spielerisch an die Schule herangeführt, ohne Druck, ohne Schulbücher und ohne Hausaufgaben.

Bei unserer Tochter empfanden wir diesen sanften Start („mjukstart“) noch angenehm. Unser Sohn dagegen war gelangweilt und unterfordert. Er hatte sich auf die Schule gefreut – aber dann war sie doch nur wieder wie Kindergarten, wenn auch in einem Schulgebäude.

Spielerisch am Anfang, Druck gegen Ende

Mittlerweile denken wir, dass das ein grundsätzliches Problem des schwedischen Schulsystems ist: Am Anfang geht es sehr bedächtig zu, erst spielerisch, in späteren Klassen dann mit mehr Ernst, aber ohne Zeugnisnoten, und plötzlich dann – in den letzten vier Schuljahren vor dem „Abitur“ (studentexamen) – werden die Kinder sehr großem Druck, auch Notendruck, ausgesetzt. Diese plötzlichen Anforderungen packen manche Schüler nicht und bleiben dem Unterricht fern. Man trifft sie dann vormittags in den Innenstädten wieder.

Lernen im eigenen Takt

Unsere Kinder arbeiten im Unterricht oft eigenständig mit einem Lehrbuch – allein oder in Kleingruppen. Sie gehen Seite für Seite durch und lernen im eigenen Takt. Wir finden allerdings, dass diese Abkehr vom Frontalunterricht manchmal zu weit geht: Unsere Kinder bearbeiten viele Dinge selbständig im Buch, ohne sie ausreichend erklärt bekommen zu haben und ohne sie richtig verstanden zu haben.

Kostenlose Lehr- und Schreibmaterialien

Angenehm empfinden wir, dass die Schule alle Lehr- und Schreibmittel kostenlos zur Verfügung stellt. Vom Lehrbuch über Papier und Schulhefte bis hin zu den Stiften erhalten die Schüler alles von der Schule. Dazu gehören auch Laptops oder iPads. Gratis sind überdies das Mittagessen im Schulrestaurant („skolmatsal“, in Göteborg „bamba“) und eine Zwischenmahlzeit („mellanmål“) am Nachmittag.

Die meisten Bücher und Schulhefte bleiben in der Schule, müssen also nicht in Schulranzen, Rucksack oder Tasche hin- und hergetragen werden. Das ist ein Segen, wenn ich an die vielen Kilo Bücher denke, die ich als Schüler täglich zur Schule und wieder nach Hause schleppen musste.

Smartboards und Küchen

Die technische Ausstattung in unserer freundlichen und hellen Schule ist hervorragend. U. a. werden interaktive Smartboards eingesetzt, die die Whiteboards ergänzen. Die traditionellen Kreidetafeln sind verschwunden.

Überdies gibt es in den unteren Klassen voll eingerichtete Küchen, in denen die Kinder backen und kochen lernen.

Für Ausflüge und Klassenfahrten darf kein Geld eingesammelt werden

Dass die Schule alles gratis zur Verfügung stellt, hat eine Kehrseite: In vielen Gemeinden darf es aus diesem Grund keine Klassenkassen geben. Die Lehrer dürfen auch kein Geld für einen Ausflug einsammeln. Es könnte ja Eltern in der Klasse geben, die nicht bezahlen können. Dann wären sie bloßgestellt, und das darf es in Schweden nicht geben. Ausflüge gibt es nur, wenn die Gemeinde sie voll und ganz finanziert, was nicht oft der Fall ist.

Schlimmer noch ist, dass es keine Klassenfahrten gibt. Da kein Geld für schulische Aktivitäten eingesammelt werden darf, haben unsere Kinder noch nie eine Klassenfahrt mit Übernachtung erleben dürfen. Sie werden wohl ihre ganze Schulzeit ohne verbringen müssen. Ich bin dagegen von der 5. bis zur 13. Klasse jedes Jahr mindestens einmal eine Woche lang mit der Klasse weggefahren – auf eine Burg an der Mosel, nach England oder nach Wien. Nun verstehen wir, warum viele schwedische Schüler nach dem letzten Schuljahr erst einmal durch die Welt reisen: Sie haben während ihrer Schulzeit nicht viel von ihr gesehen, außer in der Ferienzeit vielleicht.

Geschenke an Lehrer

Es gibt noch etwas, womit wir uns schwertun: Zu Weihnachten und am Schuljahresende werden von den Eltern Geschenke an Lehrer und anderes Schulpersonal verteilt. Man legt dafür Geld zusammen, das eine Mutter oder ein Vater aus der Klasse einsammelt. Aus meiner Schulzeit kenne ich solche Geschenke nicht. Ich habe mich dem deswegen einmal widersetzt und kein Geld gegeben – das tragen mir manche Mütter in der Klasse noch heute nach. In Schweden darf man nicht ausscheren.

Feiern

Es ist kein Zufall, dass unsere Bilder hier Feste zeigen. In schwedischen Schulen wird gern gefeiert. Sogar beim Elternabend ist eine Elterngruppe für Kaffee und Kuchen zuständig. Es soll halt immer nett zugehen („trevlig“ auf schwedisch).

An schwedischen Arbeitsplätzen ist es üblich, dass man für die Weihnachts- und Schuljahresabschlussfeiern seiner Kinder frei bekommt.

Die Kinder sind viel draußen

Abschließen will ich mit einer sehr positiven Seite der Schule, die unsere Kinder besuchen. Unsere Kinder sind im Sommer wie im Winter viel draußen an der frischen Luft.

Damit das geht, muss es in der Schule Platz für Ersatzklamotten, für Regensachen, Gummistiefel und Überzugshosen geben. All das gibt es in unserer Schule. Dazu verfügt nahezu jede Klasse in den unteren Schuljahren über eigene Trockenschränke, damit nasse Sachen auch schnell wieder trocknen können.

Unsere Schule hat sogar einen eigenen Wald, in den die Kinder fast täglich gehen. Dazu gibt es auf dem Schulgelände einen richtigen Spielplatz mit Schaukeln, Klettergerüsten, Sandkästen, Fußballfeldern, Hockeyfeldern, Basketballkörben und einem kleinen Rodelhang. Auf dem Schulgelände liegt auch ein Küchengarten, der von den Schülern gepflegt wird. Unsere Kinder sind deshalb viel und gern draußen.

Wenn beim Spielen draußen mal ein kleines Unglück passiert und ein verstauchter Fuß begutachtet oder eine Schürfwunde behandelt werden muss, gibt es eine Schulkrankenschwester.

Fazit

Alles in allem fühlen sich unsere Kinder in ihrer Schule sehr wohl. Das merken wir vor allem im Sommer, wenn sie über zehn (!) Wochen lang Ferien haben. Nach drei, vier Wochen fangen unsere Kinder an, ihre Schule zu vermissen.

Anmerkung: Durch die Vorschulklasse in Schweden (an der nahezu alle Kinder teilnehmen) unterscheidet sich die Zählung der Schuljahre in Schweden und Deutschland: Eine 4. Klasse in Schweden entspricht einer 5. Klasse in Deutschland.

Schuljahresabschlussfeier

Schuljahresabschlussfeier an einem Morgen Anfang Juni. Alle Kinder singen, die Schulband spielt, und auch die Lehrer musizieren mit. Dabei wird nicht nur das Schuljahr verabschiedet, sondern auch der Sommer begrüßt. Der Sommer steht dann für Sonne, Eis, Erdbeeren, Baden und Faulenzen („sol, glass, jordgubbar, bada och slappa“).

Die Schulband spielt zum Schuljahresabschluss in der Sporthalle

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