Schweden ist lang. Große Teile des Landes sind dünn besiedelt. Schon wenige Kilometer außerhalb der großen Ballungsräume ist es ländlich. Hier dominieren immer noch Luftleitungen im Verteilnetz. Bei Sturm und Orkan fallen Bäume auf die Leitungen, und dann sind oft große Gebiete ohne Strom. Dabei kann es leicht 20.000 oder 30.000 Haushalte gleichzeitig treffen. Im Laufe der Jahre haben wir leider mehrere solcher Phasen mitmachen müssen. Einmal waren wir mehr als vier volle Tage ohne Strom. Bekannte von uns hat es sogar schon einmal acht Tage lang erwischt. Die Situation wird aber mit jedem Jahr besser, weil immer mehr Leitungen eingegraben werden.
Andererseits hat Schweden 6 von 12 Kernkraftreaktoren abgeschaltet. Dadurch ist das Stromnetz bei bestimmten Wetterlagen weniger stabil als um die Jahrtausendwende. Anfang 2021 hatten wir in einer windstillen Kälteperiode kurzzeitig nur noch 49,55 Hz.
Vattenfall, e.on und Fortum
In Schweden gibt es viele Stromproduzenten. Das Stromnetz teilen sich aber im Grunde nur drei Gesellschaften: Vattenfall, e.on und Fortum (Ellevio). Wenn man bei ihnen Kunde ist und sich registriert, kann man Informationen über einen Stromausfall per SMS bekommen. Dann ist man auch informiert, wenn man nicht zu Hause ist. Auf den Websites der drei Unternehmen findet man überdies genaue Informationen über betroffene Gebiete, Anzahl der stromlosen Haushalte und Prognosen zur Rückkehr des Stroms.
Unwetterwarnungen
In der Regel bekommt man gut über Radio, Fernsehen oder über die verschiedenen Wetterdienste mit, wenn ein Unwetter im Anmarsch ist. Nach einigen schlimmen Patzern sind die Meteorologen und Krisenschützer eher dazu übergegangen, einmal zu viel als einmal zu wenig zu warnen.
Vorbereitungen bei drohendem Stromausfall
Kommt eine Unwetterwarnung, sorgen wir mit folgenden Dingen und Arbeiten vor:
- Kerzen und Streichhölzer
- Brennholz (wir haben einen offenen Kamin im Wohnzimmer und einen Holzofen in der Küche – wer das nicht hat, sollte einen mobilen Gasheizofen haben, der für Innenräume zugelassen ist – „gasolkamin för inomhus“)
- Batterien, frisch geladene Akkus, Taschenlampen, Stirnlampen und Strahler
- batteriegetriebenes, herkömmliches (analoges) Radio
- frisch geladene Mobiltelefone, Tablets und Laptops
- Einweggeschirr und -besteck
- Trinkwasser in Kanistern, mindestens 20 Liter (wir haben keinen kommunalen Wasseranschluss, sondern einen eigenen Brunnen, der bei Stromausfall dann auch nicht mehr funktioniert)
- Händedesinfektionsmittel sollte man zu Hause haben, weil man Hände kaum noch mit Wasser und Seife waschen kann, wenn der Strom weg ist
- wir drehen Kühlschrank und Tiefkühl auf Maximum
- wir legen Kühlakkus in den Tiefkühl; alternativ kann man auch PET-Flaschen nehmen, die man zu 3/4 füllt – die kann man dann später herausholen, um Lebensmittel kalt zu halten
- wir sehen zu, dass wir ein altes, drahtgebundenes Festnetz-Telefon greifbar haben, das auch bei Stromausfall funktioniert (sofern man seinen Festnetzanschluss nicht schon abgeschafft hat)
- da wir einen Holzofen in der Küche haben, können wir dort auch Wasser kochen oder eine Suppe heißmachen; wer keinen Ofen hat, sollte einen Camping-Gaskocher draußen auf der Terrasse nutzen
Wenn der Strom ausfällt
Fällt der Strom dann tatsächlich aus, bleibt nur, Ruhe zu bewahren. Folgende Ratschläge können wir geben:
- Ordnung und Sauberkeit von Anfang an ist A und O – hat man geschlampt, findet man sich bald im Dunkeln nicht mehr zurecht
- 24 Stunden halten die Lebensmittel im Kühlschrank einigermaßen kalt, wenn der Strom dann immer noch nicht zurück ist und es draußen kalt ist, stellen wir alles nach draußen (aber so, dass keine Tiere daran kommen können)
- Gleiches gilt für den Tiefkühl nach ca. 36 Stunden
- Wasser für die Klospülung holen wir in Eimern aus einem Bach oder See (wer kann und einen Wald vor dem Haus hat, sollte dort sein Geschäft erledigen und eingraben, weil das Nachspülen mit dem Eimer Wasser nicht so effektiv ist) – wer ans kommunale Wassernetz angeschlossen ist, hat dieses Problem natürlich nicht
- wenn es unerträglich kalt wird, kommen die Kinder zum Schlafen mit ins Ehebett, und einer wärmt den anderen – für den Kopf muss man noch eine Mütze oder Kapuze haben
- Notstromaggregate sind mit Vorsicht zu genießen, weil sie „schlechten“ Strom produzieren – Nachbarn von uns hat es dabei schon einmal TV, Laptop und Telefon zerschossen
- WICHTIG: Regelmäßiges Lüften nicht vergessen – Kerzen, Kamine und Gasöfen verbrauchen Sauerstoff. Gut, wenn man einen Kohlenmonoxidwarner hat.
Bei uns ist die Geduld meist nach 24 Stunden arg strapaziert und nach 36 Stunden zu Ende. Manche unserer Nachbarn sind dann schon ins Hotel gezogen. Da wir Tiere haben, geht das für uns nicht. Wir halten uns dann mit Kartenspielen und „Mensch ärgere Dich nicht“ bei Laune.
Im übrigen ist die Situation auch physisch anstrengend. Bei unserem letzten Stromausfall (39 Stunden) hatte ich anschließend Muskelkater in den Oberschenkeln. Das kam vom Holz- und Wasserschleppen und vom vielen Bücken beim Befüllen unserer zwei Kamine. Ich fühlte mich wie nach einer Skigymnastik.
In Schweden bekommt man übrigens eine Pauschalentschädigung von den Netzbetreibern. Ihre Höhe richtet sich nach der Dauer des Ausfalls. Man muss also keine Anträge mehr ausfüllen, alles läuft automatisch. Da diese Entschädigungen für die Netzgesellschaften teuer sind, graben sie immer mehr Luftleitungen ein, um Stromausfälle künftig zu vermeiden.
Mehr Infos
Energimyndigheten hat eine gute Broschüre auf schwedisch:
Elavbrott – vad gör jag nu? (diesen Titel müsst Ihr dort in der Suchfunktion eingeben)
Eine umfassende Übersicht gibt es auch hier:
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