Ich besuche Kiruna im Juli 2019. Die Sonne scheint, und dennoch liegt ein trauriger Schleier über dem Torget, finde ich. Hier wird nur noch in das Allernötigste investiert, weil sowieso bald alles verschwindet. Schon jetzt fühlt sich Kirunas Zentrum ein bisschen öde an.
Im Jahr 2010 wurde entschieden, dass Kirunas gesamte Innenstadt rund vier Kilometer nach Osten verschoben wird. Auch das Rathaus, die alte Feuerwache und die wunderschöne Kirche werden umgepflanzt. Viele Gebäude, die demontierbar sind, ziehen um. Andere baut man neu.
Der Grund für den Umzug ist der Erzabbau, den das Unternehmen LKAB in Kiruna betreibt. Der Erzabbau bewirkt Erdverschiebungen, die für die Gebäude am heutigen Standort der Stadt Einsturzgefahr oder sogar Versinken bedeuten können.
Bei meinem Besuch erklärt mir ein engagierter und sehr gut informierter Mann im Besucherzentrum „Navet“, wie Kirunas Umsiedlung in das Gebiet Tuolla vor sich gehen soll. Er hat dafür ein Modell der Stadt vor sich. Es ist so groß wie mehrere Tischtennisplatten.
Noch sei nicht klar, wo der neue Bahnhof entstehen soll, meint er. Vielleicht sogar am Flughafen? Was die Verlegung der Europastraße E10 betrifft, habe LKAB zum Schluss doch noch Geld dafür lockergemacht. Ja, das Gewerbegebiet müsse auch umziehen, sagt er. Es reiche, wenn man das Systembolaget verschiebt. Dann würden schon alle anderen Geschäfte hinterherziehen, meint er augenzwinkernd.
Was genau mit der Kirche geschieht, sei wohl auch noch nicht entschieden. Das gelte vor allem für den neuen Platz und für die Technik, die beim Umzug verwendet werden soll. 2025 wolle man auf jeden Fall mit dem Kirchenumzug beginnen. Die ersten Häuser, alle um die einhundert Jahre alt und von kulturhistorischem Interesse, seien aber schon umgezogen. 39 Gebäude sollen es insgesamt werden.
Meine Bilder, die Ihr hier seht, sind mittlerweile historisch. Schon zwei Jahre nach meinem Besuch sieht Kiruna im Zentrum anders aus.
Wird ein zweiter Umzug nötig?
Bei LKAB war man 2010 skeptisch, als die Entscheidung über die neue Lage Kirunas fiel, und rechnete vor: In 70 bis 100 Jahren könne das neue Kiruna ebenfalls von den Folgen des Erzabbaus betroffen sein. Die Stadt müsse dann bereit sein, ein zweites Mal umzuziehen.
Der ursprüngliche Umsiedlungsvorschlag sah vor, Kiruna nach Nordwesten zu verschieben, in die Nähe von Luossa. Der Vorschlag war zwar radikaler und teurer, hätte aber den Vorteil gehabt, dass Kiruna dort dauerhaft liegen könnte.
Aussichtsberg Luossabacken
Der Skihang im Ort bleibt aber auch nach dem Umzug in Betrieb. Luossabacken heißt er. Wie Ihr seht, war ich ganz oben und habe die Aussicht über die Stadt und die Erzgrube genossen. Die Sicht war so klar, dass ich sogar bis zum Kebnekaise blicken konnte.
Ich bin auf der Rückseite des Skihangs mit dem Auto hochgefahren. Die steile Schotterstraße hat aber in ihren serpentinenartigen Kurven schlimme Schäden vom Typ „Waschbrett“. Ich hatte Angst um mein Auto. Alternativ kann man auch am unteren Ende des Skihangs parken und in der Lifttrasse hochlaufen. Das dauert nicht so lange – die Fallhöhe beträgt nur 156 m.
Auf dem Gipfel wurde ich nachdenklich. Wo landet eigentlich all das viele Geld, das in Nordschweden von LKAB und Vattenfall verdient wird? In Stockholm? Kiruna ist sicherlich wohlhabend, aber protzigen Reichtum sehe ich nicht.
Wendepunkt
Kiruna ist für mich Endstation auf meiner 2019er Tour. 3.300 km bin ich seit Göteborg gefahren. Im Zentrum von Kiruna wende ich und fahre wieder gen Süden. Wieder daheim in Göteborg werden exakt 5.000 km auf meinen Tacho stehen.
Voll belegt
2022 bin ich zurück in Kiruna. Auf der neuen Streckenführung der E10 fahre ich unterhalb vom Skihang an der Stadt vorbei weiter durch Lappland bis Abisko und Riksgränsen. Kiruna ist an diesem Abend nämlich ausgebucht. Der Campingplatz Camp Ripan ist voll. Wie ich später höre, soll das öfter vorkommen – die Stadt ist populär.
Unsere Seiten über Kiruna
- Abisko: Nationalpark, Lappenpforte und Skandinaviens größter Bergsee – dazu zwei weitere Artikel über den Kungsleden und die Nordlichter
- Riksgränsen: Skigebiet und Grenzort zwischen Kiruna und Narvik
- Icehotel – Das Eishotel in Jukkasjärvi
Mehr Infos
- www.kirunalapland.se
- LKAB Besuchermine auf 540 m Tiefe: www.kirunalapland.se/en/activities/lkabs-visitor-centre/ – Die Tour dauert fast drei Stunden und sollte vorgebucht werden. Ich habe sie nicht gemacht, weil mir das Wetter bei meinem Besuch viel zu schön war.
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Das Modell im „Navet“
Die alte Feuerwache
Die Kirche von Kiruna wurde 1909 bis 1912 wie eine samische Kote gebaut. Die Kote ist eine traditionelle samische Behausung aus Holz und Fellen. Ich zitiere aus einem Faltblatt, das man am Eingang erhalten kann: „Schon beim Eintreten in die Kirche fühlt man sich an eine Kote erinnert. Besonders die Konstruktion der Balken, das von oben herabfallende Licht und die dunklen Wände tragen maßgeblich zu diesem Eindruck bei. Manche bezeichnen die Kirche als das Heiligtum der Wandernden.“
Folkets Hus im Zentrum. Im Grunde ist diese Parkplatzfläche hier Kirunas Torget (Marktplatz). – Update 2024: Dieses Scandic Hotel gibt es nicht mehr, dieses Zentrum auch nicht mehr. Mittlerweile steht nämlich das neue Zentrum weitgehend fertig. Dort befindet sich auch ein neues Scandic Hotel. Das supermoderne Hotel hat ein witziges Dach, das wie eine Sprungschanze aussieht.
Ausblick vom Skihang
Dieses Zentrum wird es bald nicht mehr geben. Ganz links in Bildmitte seht Ihr die Kirche.
Dieser schöne und informative Film über den Umzug stammt aus dem Jahr 2016.
Ein Luftbild aus dem Jahr 2008
Quelle des Textes zur Kirche: Svenska Kyrkan, Kiruna Pastorat. Bild ganz unten: LKAB.