Start Finnland Modern, sauber und durchdacht: Keiner in Nordeuropa kann Stadtentwicklung so gut wie Tampere

Modern, sauber und durchdacht: Keiner in Nordeuropa kann Stadtentwicklung so gut wie Tampere

Tampere

Die Finnen gelten als sehr glücklich. Hier in Tampere verstehe ich, warum. Die Stadt hat alles, was man braucht. Überdies ist sie lebendig und freundlich. Die Innenstadt ist ein leuchtendes Beispiel für gelungene Stadtentwicklung. Alles liegt dicht beieinander. Ich habe so viele schöne Stellen gefunden, dass ich eine ganze Woche in Tampere verbracht habe.

Tampere ist an zwei großen Seen gelegen. Sie haben einen Höhenunterschied von 18 m. Dieses Gefälle hat man schon vor 200 Jahren für Stromerzeugung und Industrie genutzt. James Finlayson, ein Schotte, hatte die Idee dazu. Der Textilbetrieb seines Namens existierte bis in die 1990er Jahre. Es gibt also viel Industriegeschichte zu sehen.

Industriegeschichte

Die alten Fabrikhallen in Tampere sind heute umgewidmet. In ihnen sind Museen, Büros, Läden, Restaurants und Cafés zu Hause. Als ich durch das große Museum Vapriikki lief, ging mir auf, dass mein Vater einige Male in der Finlayson Fabrik gearbeitet haben muss. Er war als Textilingenieur in Diensten der Bayer AG beruflich oft in Finnland. Das war in den Siebzigern und Anfang der Achtziger, wenn ich mich recht erinnere. Beim Gedanken, dass ich in den Fußstapfen meines Vaters unterwegs war, beschlichen mich wehmütige Gefühle.

Nach dem Museumsbesuch bin ich extra noch in den Finlayson Shop gegangen, um zu sehen, was aktuell unter dem Namen verkauft wird. Die Designs sind geschmackvoll finnisch-nordisch. Finlayson ist heute aber nur noch eine Marke ohne Produktion in Tampere

Was muss man gesehen haben?

Da mein Campingplatz etwas außerhalb lag, habe ich mir meistens ein 24-Stunden-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr geholt. Im Stadtzentrum kann man jedoch alles prima zu Fuß erreichen. Folgende zwölf Sehenswürdigkeiten habe ich während meines Aufenthalts besucht:

  • Finlayson-Gelände: Das historische Industriegebiet war einst das Zentrum der Textilproduktion in Tampere. Heute ist es ein Kultur- und Gastronomiezentrum mit Museen, Restaurants und Geschäften. U. a. enthält es einen etwas ungewöhnlichen Lidl. Das alte Finlayson-Firmentor steht noch und wird gerne fotografiert.
  • Finnisches Arbeitermuseum Werstas: Das Werstas-Museum beleuchtet die Geschichte der finnischen Arbeiterbewegung und des Alltagslebens der Arbeiterklasse. Der Eintritt ist kostenlos, und die Ausstellungen sind sowohl informativ als auch interaktiv. Das Museum liegt im historischen Finlayson-Gelände und bietet auch Sonderausstellungen. Ich habe es besucht, weil ich mir vor allem die 1.650 PS starke Sulzer Dampfmaschine ansehen wollte. Aber schon am Eingang des Museums fiel mir ein bekanntes Foto auf. Es stammte von Dorothea Lange, der US-amerikanischen Dokumentarfotografin, die in den 1930er Jahren das Wirtschafts- und Naturdesaster „in the Midwest“ festgehalten hat. Die Ausstellung war Weltklasse – so etwas bekommt man normalerweise nur in führenden Fotomuseen zu sehen und schon gar nicht gratis. Auf meinem Gang durch das Museum fand ich weitere Dinge, die mich interessierten, z. B. eine noch komplette Bleisetzerei. Das Personal im Museum war überdies sehr nett und hilfsbereit. Ein tolles Museum!
  • Museum Vapriikki: Vapriikki ist ein vielseitiger Museumskomplex, der verschiedene Themen von Naturgeschichte bis Technik abdeckt. Besonders beliebt sind das Naturkundemuseum, das Postmuseum und die Ausstellung zur Geschichte des Unternehmens Finlayson. Wohl eher für Finnen interessant ist das Eishockeymuseum, die finnische Hall of Fame. Der Museumskomplex liegt am Ufer des Tammerkoski-Kanals in einem ehemaligen Fabrikgebäude, das der Firma Tampella gehörte. Der Name „Vapriikki“ leitet sich von „Fabrik“ her. Der Eintritt ist kostenpflichtig. Allerdings gibt es in der Regel kostenlosen Eintritt freitags von 15 bis 18 Uhr, gewisse Sonderausstellungen können jedoch davon ausgenommen sein. (Auch beim kostenlosen Eintritt muss man ein Ticket lösen.)
  • Koskipuisto Park: Dieser herrlich gepflegte Park liegt im Stadtzentrum auf beiden Seiten des Tammerkoski-Kanals. Wenn alle Blumen in voller Blüte stehen, ist hier viel los. Man trifft sich, man bummelt, man erholt sich. Es gibt viele Bänke mit Blick auf den Kanal und die alten Fabrikgebäude. Zum Wasser hin stehen keine Bäume, alles ist sehr offen. Bei Hochsommerwetter sind die Rasenflächen eine prima Sonnenterrasse.
  • Alte Kirche von Tampere (Vanha Kirkko): Diese gelbe Holzkirche wurde 1825 erbaut und ist die älteste Kirche der Stadt. Sie liegt am zentralen Marktplatz und ist von einem kleinen Park umgeben. Als ich Tampere besuchte, wurde die schlichte, aber charmante Kirche gerade restauriert.
  • Tampere Rathaus (Raatihuone): Das Rathaus von Tampere liegt gegenüber der Holzkirche. Es ist ein beeindruckendes neoklassizistisches Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Manchmal wird es für offizielle Veranstaltungen genutzt, die prächtige Fassade kann man sich aber jederzeit ansehen.
  • Pferdestallhof Tampere (Tampereen Tallipiha): Der Pferdestallhof ist ein charmantes, historisches Viertel mit kleinen Geschäften, Cafés und Eisständen. Früher war der Hof Teil des Finlayson-Geländes und diente als Stall für die Fabrikpferde. Heute ist der Pferdestallhof ein beliebter Ort, wenn man Kunsthandwerk kaufen oder einen gemütlichen Nachmittag im Halbschatten verbringen möchte. Ich habe vor allem viele Mütter mit kleinen Kindern gesehen. U. a. wurde Ponyreiten angeboten.
  • Aussichtsturm Pyynikki mit Café: Dieser historische Aussichtsturm liegt auf einem schmalen Höhenrücken inmitten eines wunderschönen Kiefernwaldes. Die Aussicht ist fantastisch, und das Café ist für seine köstlichen Munkki (Krapfen) berühmt. Es ist ein beliebter Ort für Einheimische und Touristen gleichermaßen. Bei meinem Besuch stand auch noch ein Eiskiosk vor dem Café. Die Finnen essen sehr gerne Eis.
  • Dom von Tampere (Tampereen Tuomiokirkko): Der Dom ist eine Mischung aus finnischer Nationalromantik und Jugendstilelementen. Entworfen wurde der Kirchenbau 1899, errichtet wurde er von 1902 bis 1907. Zunächst hieß der Bau „Johanneskirche“. Erst 1923 wurde er Bischofssitz und damit eine Domkirche. Der Dom verfügt über 2.000 Sitzplätze. Daher wird er heute auch gern für Konzertveranstaltungen genutzt, vor allem in der Weihnachtszeit.
  • Finlayson-Palast: Der Palast war einst die Residenz des Finlayson-Fabrikdirektors. Heute beherbergt er ein elegantes Restaurant. Der Palast liegt in einem kleinen Park, den ich bei meinem Besuch sehr schön fand.
  • Näsilinna: Das Näsi-Schloss liegt auf einer Anhöhe und bietet einen großartigen Blick auf die Stadt, den See und den Vergnügungspark Tamperes. Im Schloss befindet sich ein Restaurant. Überdies gibt es Ausstellungen mit regionaler Geschichte und Kultur (Milavida Museum). Näsilinna ist quasi das Gegenstück zum Finlayson-Palast. Näsilinna gehörte nämlich der deutschbaltischen Familie Nottbeck. Die Familie war aus Tallinn (Reval) erst nach St. Petersburg und dann nach Tampere ausgewandert. Wilhelm von Nottbeck wurde James Finlaysons Nachfolger in der Baumwollspinnerei. Er starb 1890 in Wiesbaden.
  • Näsinneula Fernsehturm mit Aussichtsplattform: Mit 168 Metern ist der Näsinneula der höchste Aussichtsturm in den nordischen Ländern. Von der Plattform in 124 Metern Höhe aus hat man eine spektakuläre Aussicht über Tampere und die umliegenden Seen. Im Drehrestaurant kann man Kaffee trinken.

Strandleben

An einem Hochsommertag mit viel Wärme und Sonne habe ich mir noch den Pyynikki Strand angesehen. Am Strand war erstaunlich viel Betrieb. Im Strandcafé gab es für mich Kaffee und Grilltoast. Das Café hatte sogar Currywurst im Angebot.

Tolle Straßenbahnen

Anschließend bin ich zum Pyynikki Aussichtsturm gelaufen und habe nach dem Abstieg auf der Nordseite des langgestreckten Höhenrückens die Straßenbahn ins Zentrum genommen. Die Bahn von Škoda war toll: seidenweiches Anfahren und Bremsen, kein Rütteln, Quietschen oder Knarzen. Die Gleise sind wohl auch alle neu. Ich kann euch also sehr empfehlen, in Tampere mit der Straßenbahn zu fahren.

Fabelhaftes Stadtzentrum

An meinem letzten Tag habe ich mich noch einmal intensiv im Zentrum umgeschaut. Überall war es voll. Auch die zwei Einkaufszentren waren bestens besucht. Warum? Weil sie direkt neben dem Busbahnhof liegen. Tamperes Stadtplanung ist hervorragend, alles liegt nah beieinander. Man hat sogar das Fußballstadion und die Eishockey-Arena mitten im Zentrum errichtet und nicht draußen vor der Stadt.

Die Eishockey-Arena (Nokia Arena) bildete auch den Abschluss meiner Stadtwanderung. Ich wollte nämlich sehen, wo Deutschland 2023 Vizeweltmeister im Eishockey (Herren) geworden war. Überdies ist die Nokia Arena architektonisch interessant. Der US-amerikanische Architekt und Stadtplaner Daniel Libeskind hat sie entworfen. Eingeweiht wurde sie im Dezember 2021.

Während meiner Stadtwanderung habe ich Tampere oft mit Krefeld verglichen. Tampere hat 260.000 Einwohner, Krefeld 230.000. Insofern hinkt der Vergleich vielleicht ein wenig. Dennoch: In Tampere ist so viel mehr los als in Krefeld. Ich könnte heulen, wenn ich an meine deutsche Heimatstadt denke. Oder an schwedische Städte, die ihre Innenstädte oft durch Einkaufszentren und Gewerbegebiete auf der grünen Wiese entwertet haben (z. B. Karlstad, Luleå, Kristianstad und Halmstad – es gibt leider viel zu viele Beispiele dafür).

Ich denke, dass keiner in Nordeuropa Stadtentwicklung so gut wie Tampere kann. Dennoch bin ich nirgendwo in der Stadt Arroganz begegnet. Am Ende meines Aufenthalts war ich dankbar, dass ich Tampere kennenlernen durfte. Ich würde gerne einmal im Winter zurückkehren und sehen, wie sich die Stadt dann anfühlt.


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Tampere

Den Drehorgelmann sah ich auf dem Marktplatz Laukontori. Auf dem Marktplatz könnt Ihr übrigens die Schwarze Wurst essen, für die Tampere bekannt ist. Sie ist der deutschen Blutwurst ähnlich, wird aber mit Preiselbeeren gegessen. Eine kleine Wurst kostete 3,50 Euro.

Tampere

Pferdestallhof Tallipiha: Café, Eisverkauf, Shops mit Kunsthandwerk und Schokolade, Ponyreiten. Prima für Kinder.

Tampere

Der Dom von Tampere. Der Stil ist Nationalromantik, aber von außen sieht der Dom ein wenig wie ein Disneyland-Schloss aus, finde ich.

Tampere

Aussichtsturm Pyynikki mit Eisstand und Café (Spezialität: Kaffee mit Donut – „munkki“ auf Finnisch)

Tampere

Rechts Zentrales Wasserkraftwerk Tammerkoski. Die Geländer am Fußweg über dem Wehr sind voller Liebesschlösser.

Tampere

Bild oben: Der Koskipuisto Park im unmittelbaren Zentrum der Stadt. Im Hintergrund seht Ihr die ehemaligen Fabriken Finlayson und Tampella am Fluss Tammerkoski. Die Gebäude werden heutzutage anderweitig verwendet, u. a. für das Museumszentrum Vapriikki (was nichts anderes bedeutet als „Fabrik“ – Finnisch muss gar nicht so schwer sein). Überall rote Blumen im Park! – Bild unten: Der Park noch einmal aus der Gegenrichtung fotografiert.

Tampere

Pyynikki Strand: Hier gibt es ein modernes Gebäude mit Toiletten, ein Strandcafé mit Eis, Fast Food und sogar Currywurst sowie ein spezielles Bad für Rollstuhlfahrer und Blinde. Die Bushaltestelle dort heißt Rosendahl.

Tampere

Die Škoda Straßenbahnen sind super. Seidenweiches Anfahren und Bremsen, kein Rütteln, Quietschen oder Knarzen. Die Sitze sind gepolstert und nicht Hartplastikschalen wie in der Metro von Helsinki. Die Gleise sind wohl auch alle neu.

Highlights

  • Finlayson-Gelände
  • Finnisches Arbeitermuseum Werstas
  • Museum Vapriikki
  • Koskipuisto Park
  • Alte Kirche von Tampere (Vanha Kirkko)
  • Tampere Rathaus (Raatihuone)
  • Pferdestallhof Tampere (Tampereen Tallipiha)
  • Aussichtsturm Pyynikki mit Café
  • Dom von Tampere (Tampereen Tuomiokirkko

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