Auswandern nach Schweden – Unsere Erfahrungen aus 25 Jahren in Schweden

Auswandern nach Schweden

Mich erreichen fast jede Woche Anfragen zum Thema Auswandern. Leider jedoch kann und darf ich keine professionelle Beratung zum schwedischen Sozialsystem und zum schwedischen Arbeitsmarkt bieten. Ich bin weder Jurist noch Steuerberater. Überdies ändern sich Regeln gelegentlich, und nicht immer bemerke ich das sofort. Einige persönliche Eindrücke und Hinweise will ich aber gern zusammenstellen.

Beweggründe prüfen, Ziele festlegen

Zunächst einmal sollte man sich sehr genau überlegen, warum man nach Schweden auswandern will. Will man in Deutschland etwas hinter sich lassen, will man fliehen? Oder sind es tatsächlich das Land Schweden, die Natur und die Menschen hier, die einen anziehen? Es macht auf Dauer einen großen Unterschied, ob man vor etwas weggelaufen oder zu etwas hingelaufen ist. Hier sollte man sich sehr genau prüfen.

Nicht nur die Beweggründe fürs Auswandern sind wichtig, sondern auch die Ziele. Was will man in Schweden erreichen? Wie will man sein Geld verdienen? Eine konkrete Zielplanung gibt Halt und Struktur in spannenden Zeiten.

Informationen einholen

Im nächsten Schritt sollte man sich umfassend über Schweden informieren. Für diesen Zweck sind die offiziellen schwedischen Tourismusportale weniger geeignet, weil sie auf Urlauber abgestimmt sind und meist ein Ferienschweden-Bild à la Bullerbü vermitteln. Auch bei uns in Schweden scheint nicht immer die Sonne, vor allem nicht im November und Dezember. Das muss man aushalten können.

Eine nützliche Hilfe ist die Website vom „Netzwerk Schweden“, einem von Deutschen gegründeten gemeinnützigen Verein: www.inschweden.se. Wir empfehlen auch www.sweden.se, die informative und faktenreiche Website vom Schwedischen Institut („Svenska Institutet“).

Jobs: Wege nach Schweden

Will man die Zelte in Deutschland nicht gleich abbrechen, kann man es in Schweden zunächst mit einem Praktikum oder einer Schwangerschafts- oder Ferien-Vertretung versuchen („praktik“ bzw. „vikariat“ auf schwedisch). Vor allem in den Sommermonaten werden viele Praktika und Kurzzeitjobs vergeben, im Tourismus, aber auch im Gesundheitswesen, in kommunalen Betrieben (Landschafts- und Gartenbau z. B.) oder in vielen exportorientierten Unternehmen. Wir kennen Deutsche hier, die ihr schwedisches Praktikum über Kontakte bei LinkedIn, Facebook, XING oder die schwedische Kleinanzeigenbörse www.blocket.se bekommen haben.

Eine andere Möglichkeit bieten Zeitarbeitsunternehmen wie Manpower Teamwork, Randstad oder Adecco. Überdies gibt es viele kleine Zeitarbeitsfirmen, die sich auf bestimmte Berufe und Nischen spezialisiert haben. Über Zeitarbeit („bemanning“) kann man einen Einstieg in eine Firma bekommen, die einen dann später vielleicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis („tillsvidareanställning“) übernimmt. Manchmal treten die Zeitarbeitsfirmen auch als Personalvermittler auf („rekrytering“).

Teilzeitjobs sind in Schweden leider rar. Im Zuge der Gleichberechtigung arbeiten Frauen wie Männer 100%. Arbeiten beide Partner in einer Einwandererfamilie, ist es daher für jüngere Kinder nicht leicht, nachmittags zum Sport oder zu Freunden zu kommen.

Welche Berufe in Schweden gesucht werden, erfährt man im Yrkeskompass, den ausführlichen Prognosen des schwedischen Arbeitsamts („Arbetsförmedling“). Im Yrkeskompass („yrke“ = Beruf) sieht man sogar, wo im Land der größte Mangel in einem bestimmten Beruf herrscht. Handwerker, Ärzte und Pflegepersonal werden eigentlich überall gesucht.

Die beste Lösung ist natürlich, wenn man von seinem deutschen Arbeitgeber für einige Zeit nach Schweden entsandt wird, z. B. zu einem Tochterunternehmen. Bei einer Entsendung hat man große Sicherheit, kann sich in Ruhe in seiner zweiten Heimat umsehen und entscheiden, ob man sie auf Dauer zur ersten Heimat machen will.

Schließlich gibt es noch jene, die eine ortsunabhängige Selbständigkeit mit nach Schweden nehmen können. Wer von überall aus arbeiten kann, sollte vorher nur überprüfen, wie gut das Internet am neuen Wohnort ist. In der Regel hat Schweden gutes Internet, selbst in abgelegenen Gebieten auf dem Land. Allerdings wurde noch nicht überall Glasfaser verlegt („fast bredband“ oder kurz „fiber“). Wenn man ein Haus kauft, das nicht angeschlossen ist, sollte man mit Kosten von ca. 20.000 SEK für einen Anschluss rechnen. Das allerdings nur, wenn schon Glasfaser in der Straße verlegt ist.

Sprache

Will man z. B. im Gesundheitswesen oder in einem Handwerksberuf arbeiten, braucht man gute Schwedischkenntnisse, damit die Verständigung mit dem Patienten bzw. Kunden überhaupt funktionieren kann. Wer Schwedisch im Alleingang lernen will, findet bei Amazon zahlreiche  Übungsbücher, Kurse und Audiobooks zum Schwedischlernen. Schwedisch ist für Deutsche nicht schwer, auf Dauer sogar leichter als Englisch.

In anderen Bereichen, z. B. im Tourismus, in internationalen Konzernen und in Unternehmen aus den Branchen Finanz, Medien, Werbung und IT, kann man sich anfangs auch völlig ohne Schwedischkenntnisse durchschlagen. Dann sollte man aber sehr gut englisch sprechen können. Deutsches Schul-Englisch reicht manchmal nicht aus, denn die Schweden sprechen wirklich ausgezeichnet Englisch. Und das gilt für nahezu alle Schweden.

Wohnen

Das ist ein Problem!

Private Mietwohnungen sind in den Innenstädten weitgehend verschwunden, weil sie in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden. Die wenigen Mietwohnungen, die es gibt, werden selten offen angeboten, sondern vielmehr legal oder illegal weitervermietet („andrahandskontrakt“), manchmal sogar in dritter oder vierter Hand. Zumindest gilt das für die Großstädte. In weniger attraktiven Kleinstädten und auf dem Land findet man durchaus Mietwohnungen.

Wenn man mieten will, kann man sich auch bei den kommunalen oder privaten „bostadsbolag“ (Genossenschaften) umhören und auf eine Liste setzen lassen. Oft aber betragen die Wartezeiten viele Jahre, zumindest in den Ballungsgebieten.

Wer Startkapital hat, kann einen Hauskauf erwägen. Die Preise in den Großstädten liegen aber mittlerweile z. T. über deutschem Niveau (in Göteborg z. B. mindestens 5 bis 7 Millionen SEK, Stand 2021 – das ist mehr als in den Randgemeinden von Düsseldorf). In ländlichen Regionen gibt es dagegen noch immer billige Häuser (1 bis 2 Millionen SEK und auch darunter) – aber kaum Jobs. Wer ein Haus in Schweden kaufen will, muss auch damit rechnen, dass er es am Samstag besichtigt und am Dienstag kauft. Wochenlanges Hin und Her mit Maklern, Banken und Anwälten, wie in Deutschland oder England üblich, gibt es in Schweden nicht. Wer seine Finanzierung nicht bewilligt hat, bevor er mitbietet, hat keine Chance.

Alternativ sollte man sehen, was man als Eigentumswohnung bekommen kann. Auf schwedisch heißt das „bostadsrätt“, was eigentlich ein unbefristetes Nutzungsrecht ist und keine Eigentumswohnung im deutschen Sinn – dennoch kann man die Wohnung kaufen und verkaufen. Aber auch hier gilt: Die Preise sind in den Regionen Stockholm, Göteborg und Malmö „durch die Decke gegangen“. Wenn man wirklich kaufen will, hat man nach der Besichtigung allenfalls drei, vier Tage Bedenkzeit – manchmal nicht mal das, weil die Wohnungen noch vor dem Besichtigungstermin weg sind. In ländlichen Kleinstädten sieht das anders aus.

Sofern man ohne Kinder nach Schweden kommt, kann man am Anfang eine einfache Übergangslösung wählen (z. B. Studentenwohnheim während des Sommers oder ein Zimmer zur Untermiete) und sich in dieser Zeit ein Kontaktnetz aufbauen. Mit Beziehungen findet man dann sicherlich etwas Größeres und Besseres. So haben wir es gemacht.

Ohne Personennummer geht nichts

Viele Regelungen sind seit dem Beitritt der Schweden zur EU einfacher geworden. Eine Arbeitserlaubnis zum Beispiel wird nicht mehr benötigt. In Schweden hängt aber nach wie vor alles und wirklich fast alles von der Personennummer ab. Ohne die geht nichts. Hat man sie, ist alles relativ einfach. Man sollte also versuchen, sich so schnell wie möglich beim Einwohnermeldeamt anzumelden, damit man die Personennummer bekommt. Als Einwohnermeldeamt fungiert in Schweden das Finanzamt „Skatteverket“, Abteilung „folkbokföring“.

Die Personennummer braucht man auch für andere wichtige Anschaffungen wie Telefon, Internet, Bankkonto oder Kreditkarte. Und man braucht sie für die schwedische id-kort (Identitätskarte), die man auch als Nicht-Schwede benötigt.

Aufenthaltsrecht („uppehållsrätt“)

EU-Bürger haben das Recht, ohne Aufenthaltsgenehmigung in Schweden zu arbeiten, zu studieren und zu leben. Dieses Aufenthaltsrecht ist aber mit Pflichten verbunden: Will man länger als drei Monate bleiben, muss man entweder eine Arbeit haben, ein eigenes Unternehmen gründen, studieren oder über ausreichende Geldmittel und eine gültige Krankenversicherung verfügen. Andernfalls können die Behörden einen auffordern, das Land zu verlassen. Im schlimmsten Fall kann man sogar ausgewiesen werden, obwohl man EU-Bürger ist.

Für das Aufenthaltsrecht muss man nirgendwo einen Antrag bei einer Behörde stellen. Man hat das Aufenthaltsrecht automatisch, solange man die Kriterien erfüllt.

Staatsbürgerschaft und Ausweise

Man kann ganz prima auch mit der deutschen Staatsbürgerschaft in Schweden leben. Etwas komplizierter sind dann allerdings Verlängerungen von Pässen und Personalausweisen etc. Das muss alles über die Deutsche Botschaft in Stockholm laufen.

Wer die schwedische Staatsbürgerschaft annimmt, hat es mit den Ausweispapieren einfacher – man muss ja deshalb seine deutsche Staatsbürgerschaft nicht mehr aufgeben. Wir leben ganz prima mit beiden.

Relocator

Die „typischen“ Schweden-Auswanderer aus Deutschland kämpfen sich selbst durch. Dafür sollte man etwas Schwedisch können. Und vor allem wissen, was man hier will und womit man sein Geld verdienen will. Es gibt aber auch professionelle Einwanderungsberater und Firmen, die einem bei der Auswanderung mit Umzug und Behörden helfen. Die findet Ihr, wenn Ihr „relocation service sweden“ googelt. Da seht Ihr einige Anbieter. Ihr merkt aber auch, dass sich diese Berater an Personal von Großunternehmen (wie z. B. Volvo und AstraZeneca) und an Personal von Exportunternehmen wenden. Die Preise für die Dienste sind entsprechend.

Unsere Seiten zum Thema „Auswandern“


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Rückwandern

Auch das kommt vor. Manchmal erst nach einigen Jahren, wenn man merkt, dass man nicht wirklich heimisch geworden ist oder wenn man auch im x-ten Brauversuch noch immer kein Bitburger zustandegebracht hat.

Manche Auswanderer fangen nach Jahren an, Dinge zu vermissen, auf die sie vorher problemlos verzichtet haben: die deutschen Fachgeschäfte (Bäckereien, Metzgereien), die deutschen Kneipen und Gasthäuser, vielleicht den Karneval oder das Oktoberfest, die Fußball-Bundesliga oder was auch immer einem vor dem Auswandern ans Herz gewachsen war.

Papiere in Ordnung bringen

Mit dieser Möglichkeit sollte man bereits rechnen, wenn man auswandert. Deshalb ist es gut, wenn man in Deutschland keine „verbrannte Erde“ hinter sich lässt, sondern beim Auswandern einen sauberen Abschied nimmt. Dazu gehört auch, dass man seine deutschen Papiere vor dem Auswandern in Ordnung bringt, z. B. für Versicherungen, Renten (BFA) und andere wichtige Dinge. Manches lässt sich Jahre später nicht mehr so leicht rekonstruieren.

Man sollte sich auch darüber klar werden, dass Rückwanderungsüberlegungen völlig normal sind. Man gehört ja der ersten Generation an, und die hat es am schwersten, weil sie gefühlsmäßig zwischen der neuen und der alten Heimat schwankt. Die zweite Generation hat es leichter: Die Kinder, zumal dann wenn sie in Schweden geboren sind, sind heimisch in Schweden. Deutschland tragen sie dann nur noch als eine prägende Herkunft, aber nicht mehr als eine zurückgelassene Heimat mit sich. Wir sehen das an unseren eigenen Kindern.

Wollt Ihr mehr zu dem Thema lesen? Der Roman  „Zurückwandern“ von Tallulah Älvskog, erschienen im September 2023, beschäftigt sich mit dem Zurückwandern aus Schweden und dem Neuanfang in Deutschland. Er handelt vom Fremdsein in der neuen und der alten Heimat, vom Loslassen und Wiederankommen.

Als Deutscher in Schweden

„Es gibt eine innere Nähe, eine natürliche Verwandtschaft zwischen Deutschen und Schweden. Es lebt sich gut in Schweden. Der Umgangston ist gelassen, die Hierarchien sind flach, und auf den Autobahnen werden keine Rennen gefahren. Die Luft ist sauber, und das Wasser in den Seen und Meeresbuchten (selbst im Hafen von Stockholm) hat Badequaltität.

Schweden ist ein Sehnsuchtsland für eine nennenswerte Gruppe von Deutschen, die in dem nördlichen Nachbarland das Unversehrte schätzen, die Schönheit der Natur, die Abstinenz von allen Kriegen seit 1809 und die freundliche Provinzialität.“

 Tilmann Bünz, „Wer die Kälte liebt: Skandinavien für Anfänger“, München 2008 (btb-Verlag), S. 69.

Zahlen

Sandra Eichinger nennt in ihrem Buch  Alptraum Schweden?: Hinter den Kulissen des Traumlandes, dass jedes Jahr rund 3.500 Deutsche nach Schweden auswandern. Sie bezieht sich dabei auf das schwedische Amt für Statistik SCB, nennt aber keine nachprüfbare Quelle.